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Koch-Wiki:

Tipiti

Als Tipiti wird ein altertümliches Geflecht zur Produktion von Mehl bezeichnet. Die meist schlauchähnlichen Behältnisse waren aus natürlichen Pflanzenfasern geformt und konnten mehrere Liter eines wässrigen Wurzelbreis in sich aufnehmen – dieser trocknete dort und hinterließ als Endprodukt das gewünschte Mehl. Tipitis gehören in einigen Kulturen auch heute noch zur festen Ausstattung der Mehlhersteller.

Allgemeines zum Tipiti

So einfach und schnell die Gewinnung von Mehl als Lebensmittel heute auch ausfallen mag, so kompliziert und langwierig war der Vorgang für die antiken Naturvölker. Vor rund 10.000 Jahren entstand im brasilianischen Regenwald daher ein aus Pflanzenfasern gefertigtes Gefäß, das eine schlauchähnliche Form annahm und in dem der gewässerte Brei zerkleinerter Wurzeln trocknen konnte. Diese Entwicklung fand ihren Weg im 15. und 16. Jahrhundert sogar bis nach Europa – portugiesische Seereisende hatten die südamerikanischen Urvölker entdeckt und ihre Technik zur Mehlherstellung kurzerhand mit auf das europäische Festland genommen. Hier kann die Tradition bis heute etwa im Mittelmeerraum um Portugal, Frankreich, Italien oder Griechenland bewundert werden. Allerdings gilt das Verfahren weiterhin als aufwendig, es dürfte also den Grundpreis des Mehles durchaus erheblich verteuern.

Form und Material des Tipiti

Das Tipiti selbst ließ sich preiswert herstellen. Meist wurden dafür Palmenblätter und deren Stängel in sehr feine Streifen zerschnitten und auf kunstvolle – aber robuste – Weise miteinander verwoben. Dabei entstand ein Schlauch, der in seiner Länge bis zu zwei Meter erreichen konnte und der am oberen Ende eine breite Öffnung aufwies. Das Material verjüngte sich bis zur unteren Spitze, wo – je nach Ausformung – eine Schlaufe zum Einführen eines Hebels angebracht war. Mit ihm konnte das Tipiti wie eine Presse gedreht und dabei das überschüssige Wasser hinausgedrückt werden. Die Herstellung des Gefäßes stand bei den Naturvölkern in der Regel nur geschulten Personen zu. Denn das feinmaschige Netz der Fasern sollte eine optimale Belüftung gewährleisten, musste aber ein Herausfallen des Wurzelbreis vermeiden. Eine nicht immer simpel zu erreichende Anforderung.

Die Gewinnung des Mehls

Für das Mehl wurde die in Brasilien bekannte Maniok verwendet. Dabei handelt es sich um eine bis zu fünf Metern hohe Pflanze, deren im Erdreich sitzende knollenartige Wurzeln sehr stärkehaltig ausfallen. Zudem besitzen sie zahlreiche Vitamine, Spurenelemente, Proteine und Mineralstoffe, die den Grundstein zum Überleben boten. Die Wurzeln wurden dafür sehr fein zerhackt und mit Wasser gemischt. Der über Tage hinweg gegorene Brei wurde sodann in die obere Öffnung des Tipiti gegeben und durfte dort meist weitere Tage ruhen. Bezweckt wurde hierbei ein vollständiger Austritt des Wassers – im Ergebnis stand ein stark gepresstes, in pulverisierter Form vorliegendes Mehl, das zum Backen von Broten und ähnlichen Teigspeisen verwendet wurde. In der traditionellen Anwendung hat sich daran bis heute nichts verändert.

Die Trocknung des Mehls

Allerdings ließ sich das Tipiti auf zweifache Weise gebrauchen. Eine Form lag – wie bereits beschrieben – darin, in eine untere Schlaufe des Gefäßes einen langen Stock einzuführen und diesen um seine eigene Achse zu drehen. Damit wurde das Tipiti stark komprimiert, aus dem darin befindlichen Brei ließ sich das Wasser mit geringem Kraftaufwand hinausdrücken. Das Prinzip späterer Ölpressen war in diesem Vorgang also bereits zu erkennen. Eine andere Methode der Trocknung lag darin, das Tipiti mit dem Wurzelgemisch lediglich an eine sonnendurchflutete Stelle aufzuhängen. Die Wärme garantierte ein schnelles Verdunsten jedweder Feuchtigkeit, mit optimalen Ergebnissen durfte innerhalb weniger Stunden gerechnet werden. Anschließend wurde das Mehl aus dem Gefäß genommen und zur weiteren Verarbeitung bereitgestellt.

Die Giftstoffe im Maniokmehl

Das auf diese Art gewonnene Mehl nahm eine grobkörnige Struktur an, konnte farblich zwischen gelben und braunen Tönen variieren, war zum Verzehr jedoch noch nicht geeignet. Denn die Maniokwurzel ist nicht alleine mit wertvollen Inhaltsstoffen versehen. Sie weist vielmehr auch eine hohe Konzentration an Giften auf – ein natürlicher Schutz gegen Fressfeinde. Daher musste das Mehl zunächst auf einer großen Fläche weiträumig ausgebreitet und einer abermaligen Sonneneinstrahlung ausgesetzt werden. Meist geschah das an solchen Tagen, an denen die Luftfeuchtigkeit gering und die Hitze sehr hoch ausfiel. Die enthaltenen Schadstoffe wurden dabei verbrannt oder chemisch umgewandelt. Ihre Wirkung ließ sich auf diese Weise reduzieren, jedoch nur selten einmal gänzlich ausschalten. Aus heutiger Sicht ist das Maniokmehl zum Verbrauch also nur nach weiteren Schritten der Filterung und Säuberung zu empfehlen.

Das Tipiti in anderen Kulturen

Allerdings waren es nicht alleine die brasilianischen Völker, die ein Tipiti verwendeten. Auch im antiken Japan wurden bereits vor rund 5.000 Jahren ähnliche Behältnisse in weiten Teilen der einfachen Bevölkerung genutzt. Sie waren allerdings nicht aus Palmenblättern gefertigt, sondern setzten auf Bambus und andere schilfähnliche Rohstoffe als natürliches Arbeitsmaterial. In Neuseeland wurde dagegen für den gleichen Zweck eine getrocknete Meeresalge verwendet – sie musste nicht erst kunstvoll geflochten werden, sondern wies in ihrer natürlichen Gestalt bereits die gewünschte Form auf. Alle diese Gefäße wurden in gleicher Art verwendet. Mehr noch: Jedes von ihnen hat sich in der jeweiligen Kultur bis heute einen festen Stellenwert bewahrt. Insbesondere in der traditionellen Zubereitung der Mehle per Hand gelten sie noch immer als unverzichtbar.